Im Zusammenhang mit Probiotika liest man häufiger, dass Milchsäurebakterien vor der Einnahme in Wasser eingerührt werden müssen, um sie zu „aktivieren“. Ansonsten wären sie wirkungslos. Ist da etwas dran?

Direkt zum gewünschten Inhalt:

Wissenschaftlich unbelegt: Der Mythos der Aktivierung von Milchsäurebakterien

Um es kurz zu machen: Nein, es ist nicht wissenschaftlich belegt das Milchsäurebakterien vor der Einnahme aktiviert bzw. in Wasser aufgelöst werden müssen. Es handelt sich hier vermutlich um einen Marketing-Gag. Abgesehen davon, dass ein Milchsäurebakterien-Wasser-Gemisch nicht besonders gut schmeckt, ist eine Aktivierung vor der Einnahme nicht notwendig.


Natürliche Aktivierung im Darm: Warum eine zusätzliche Rehydrierung nicht nötig ist

Denn Milchsäurebakterien werden in der wässrigen Atmosphäre des Darms automatisch aktiviert. Hinzu kommt, dass Milchsäurebakterien bis zu mehreren Stunden brauchen, bevor sie anfangen zu wachsen. Die fünf Minuten, in denen die Bakterien durch ein Verrühren im Wasserglas früher „aktiviert“ (rehydriert) werden, spielen im Verhältnis zu den 24 bis 120 Stunden, die die Darmpassage in Anspruch nimmt, überhaupt keine Rolle.


Warum Wasser die falsche Umgebung für Milchsäurebakterien ist

Um das Wachstum und die Aktivierung von Bakterien zu fördern, benötigen sie dauerhaft eine Temperatur von etwa 37 Grad Celsius, also Körpertemperatur. Es ist jedoch aufwändig, diese Temperatur im Wasser zu erreichen, in dem die Bakterien aktiviert werden sollen. Die Bedingungen im Wasserglas sind daher für die Bakterien suboptimal, da ihnen zusätzlich ein nährstoffreiches Medium fehlt, um überhaupt wachsen zu können. Im Darm hingegen sind diese Bedingungen gegeben, da dort unverdaute Nahrungsreste, insbesondere ballaststoffreiche Lebensmittel, als Nahrungsquelle dienen.1 Ballaststoffe unterstützen das Wachstum von Mikroorganismen wie Laktobazillen und Bifidobakterien, die wiederum kurzkettige Fettsäuren produzieren – wichtige Stoffwechselprodukte für eine gesunde Darmflora.2,3 Erfahren Sie hier mehr über die positiven Effekte einer ballaststoffreichen Ernährung.


Gefahr der Zerstörung: Warum Aktivierung im Wasser kontraproduktiv ist

Es ist vielmehr so, dass bei Pulver-Probiotika, die vorher in Wasser gelöst werden, also rehydriert wurden, eine größere Gefahr besteht, dass sie durch die Magen- und Gallensäure oder Antibiotika zerstört werden.4,5 Entscheidend ist, dass die Bakterien die Zugangsschranke zum Darm, also den Magen und das Duodenum, unzerstört überwinden. Eine magensaftresistente Kapsel kann den Einfluss von Magen und Gallensäure auf die lebenden Bakterien minimieren.


Säureresistente Kapseln: Die sicherste Form der Probiotika-Einnahme

Wer auf Nummer sicher gehen will, greift daher zu Probiotika, die durch eine säureresistente Kapselhülle geschützt sind. Diese öffnet sich nämlich erst im Darm, um die Bakterien freizugeben. 

1.

Intakte Kapsel erreicht den Magen.

2.

Kapselhülle schützt den Inhalt vor Magen- und Gallensäure.

3.

Kapsel hat den Magen verlassen und beginnt den Inhalt im Darm freizusetzen.


Studienlage: Probiotika wirken auch ohne Aktivierung

Außerdem sollten für das Produkt Humanstudien vorliegen, um eine sichere und unbedenkliche Einnahme zu gewährleisten. Und hier liegt auch das Hauptargument, das gegen eine vermeintlich notwendige Aktivierung spricht: Eine überwiegende Mehrheit der zahlreichen Studien zu Probiotika wurde mit Kapselpräparaten gemacht, also solchen Zubereitungen, die ohne die Aktivierung auskommen.


Quellen

Eng, R. et al. (1991): Bactericidal Effects of Antibiotics on Slowly Growing and Nongrowing Bacteria. ANTIMICROBIAL AGENTS AND CHEMOTHERAPY. 824-1828 Vol. 35. No. 9

  1. Yeboah, P. J. et al. (2023): Milchsäurebakterien: Überprüfung des potenziellen Verabreichungssystems als wirksames Probiotikum
  2. Biesalski, H.K., and Grimm, P. (2020): Taschenatlas der Ernährung (Georg Thieme Verlag).
  3. Leitzmann, C. (2009): Ernährung in Prävention und Therapie: ein Lehrbuch (Hippokrates-Verlag).
  4. Begley, M. et al. (2005): The interaction between bacteria and bile. FEMS Microbiology Reviews 29. 625–651
  5. Eng, R. et al. (1991): Bactericidal Effects of Antibiotics on Slowly Growing and Nongrowing Bacteria. ANTIMICROBIAL AGENTS AND CHEMOTHERAPY. 824-1828 Vol. 35. No. 9


Teilen Sie diesen Artikel:

Zurück zur Übersicht